Interview mit Leo Staub-Marx, Director HR Germany, zum Umgang mit der Coronakrise
Date Published
06/10/2020
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Die Coronakrise hält uns alle noch in ihrem Bann und niemand weiß, wie sich die Situation entwickeln wird. So ging es uns natürlich auch in den ersten Monaten, als die Gefahr der Pandemie erst bekannt wurde. Damals mussten von jetzt auf gleich Lösungen für Probleme gefunden werden, auf die man vorab nicht vorbereitet war. Wie ist das bei Capita Europe abgelaufen? Wir haben dazu mit Leo Staub-Marx, Director HR Germany, gesprochen:
Leo, denken wir zum Einstieg ein paar Monate zurück. Als klar wurde, dass wir uns auf eine Pandemie zubewegen, was war die erste Priorität für Capita Europe?
Als sich herausgestellt hat, wie ernst die Situation ist, hat die Geschäftsführung laut dem in unserer Organisation geltenden Pandemieplan direkt einen Krisenstab einberufen. Das Krisenteam hat sich dann in den ersten Monaten täglich, auch an Feiertagen, besprochen, um alle nötigen Maßnahmen schnell auf den Weg zu bringen und tagesaktuell auf neue Entwicklungen zu reagieren - aufgrund der aktuell wieder ansteigenden Infektionszahlen tagt der Krisenstab übrigens ab Oktober erneut regelmäßig. Dabei war klar: Bei allen Entscheidungen stand die Gesundheit der Mitarbeiter immer an erster Stelle. Einer der wichtigsten ersten Maßnahmen war daher, die Risikogruppen zu identifizieren. Besonders gefährdete Mitarbeiter haben wir vor dem Hintergrund der damals schwer einschätzbaren Situation quasi sofort ins Homeoffice geschickt. Wenn das nicht machbar war, haben wir die Risikopersonen sogar bezahlt freigestellt. Priorität war, für alle gefährdeten Kollegen eine sichere Umgebung zu schaffen. Unmittelbar nachdem das geregelt war, konnten wir dann schrittweise einen Großteil der gesamten Belegschaft ins Homeoffice schicken – das war natürlich eine erhebliche logistische und technische Herausforderung. Übrigens haben wir in Deutschland bis heute Kurzarbeit vermeiden können und mussten wegen der Pandemie bisher keine Mitarbeiter entlassen – ein Kraftakt, den wir gemeinsam geleistet haben, und der gar nicht hoch genug bewertet werden kann.
Und welche weiteren Maßnahmen wurden sofort ergriffen?
Wir haben uns immer streng an die Vorgaben von Behörden und Gesundheitsämtern gehalten, mögliche Verdachtsfälle konsequent nachverfolgt und an allen Standorten sehr schnell erweiterte Hygienekonzepte angewendet und Abstandsregeln eingeführt. Wir haben außerdem alle Veranstaltungen abgesagt, Reisetätigkeiten eingestellt – das tun wir übrigens aktuell wieder – Trainings auf digitale Schulungen umgestellt und Präsenzmeetings durch Telefonate oder Videokonferenzen ersetzt. Zusätzlich haben wir die Bezüge von Eltern, die sich wegen der großflächig weggefallenen Kinderbetreuung um ihre Kinder kümmern mussten, auf 100% aufgestockt. Und wir haben die Möglichkeit eingerichtet, eigene Überstunden an Kolleginnen und Kollegen zu spenden, die diese dringender nötig hatten – eine Aktion, die zeigt, dass Solidarität innerhalb des Unternehmens und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur ein Schlagwort, sondern gelebte Praxis, ist.
Was siehst du als HR Director und Geschäftsführer als größte Herausforderung, die unser Unternehmen aufgrund der Krise zu meistern hatte?
In unserer Branche ist und bleibt der Mitarbeiter das Wichtigste. Auf der anderen Seite mussten wir natürlich auch den Fortbestand unseres Unternehmens sichern, das Geld fällt nicht vom Himmel und muss jeden Tag hart von allen Kolleginnen und Kollegen erarbeitet werden. Deswegen sehe ich hier zwei große Herausforderungen: Die Mitarbeiter so zu unterstützen, dass sie möglichst uneingeschränkt weiterarbeiten können und ihr volles Gehalt bekommen, und gleichzeitig weiterhin mit vollem Einsatz für die Kunden unserer Auftraggeber da zu sein. Dafür müssen Prozess- und Geschäftsabläufe trotz aller Veränderungen möglichst effizient weiterlaufen – das haben wir bisher gut hinbekommen!
Tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ins Homeoffice zu bringen, war eine gewaltige Aufgabe, die ohne Vorbereitung zu bewältigen war. Wie hat Capita das bewerkstelligt?
Damit möglichst viele Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten konnten, mussten wir im Eiltempo wahnsinnig viele Hürden aus dem Weg räumen, beispielsweise die Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen – z. B. in Sachen Datenschutz – oder mit den Auftraggebern neue Konditionen aushandeln. Dann hatten wir einiges an Arbeitsmitteln wie PCs, Laptops und Headsets zu beschaffen – damals eine schwierigere Aufgabe als man vielleicht denkt, denn wir waren nicht das einzige Unternehmen, das nachbestellen musste und das Angebot am Markt konnte den Bedarf nicht decken. Also hat unsere IT im Rekordtempo ergänzend auch alte Systeme, die glücklicherweise bereit standen, aufgerüstet, die Netzwerkkapazität vervielfacht, Cloud-Telefonie eingerichtet und tausende von Homeoffice-Arbeitsplätzen in unsere Infrastruktur integriert. Das allein war schon eine enorme Leistung und ist bis heute keine Selbstverständlichkeit!
Wie wurde die Kommunikation mit den Kollegen im Homeoffice dann aufrechterhalten?
Im Homeoffice angekommen, mussten die Kolleginnen und Kollegen natürlich auch die Möglichkeit haben, die gewohnte technische Unterstützung zu bekommen – dafür wurde zusätzlich umgehend die „Helpline Homeoffice“ eingerichtet. Für viele war die Arbeit von zuhause eine große Umstellung – man war ja viel mehr auf sich allein gestellt. Durch engen Austausch in regelmäßigen Telefonkonferenzen und durch die Einführung einer zusätzlichen Online-Plattform können wir ferner die Kommunikation zu den Mitarbeitern im Homeoffice immer am Laufen halten. Und natürlich hat auch die interne Kommunikation eine wichtige Rolle gespielt. Mit inside.capita haben wir ein Mitarbeiterportal eingerichtet, auf dem unter anderem viele Fragen & Antworten zum Thema Corona und die wichtigsten Unternehmensinfos zu finden sind.
Gleichzeitig haben einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter an den Standorten gearbeitet. Welche zusätzlichen Maßnahmen wurden hier ergriffen, um die Sicherheit aller zu gewährleisten?
Vorweg: Mit der Homeoffice-Lösung hat sich die Auslastung der Standorte stark reduziert. So konnten wir viel mehr Räume nutzen und dadurch die Sicherheitsabstände im Servicecenter vergrößern. Zudem haben wir die Reinigungstätigkeiten verstärkt, vielfältige Hygienemaßnahmen (Desinfektion, Abstandsregeln etc.) umgesetzt und für Wohlbefinden und Gesundheit z. B den täglichen Obsttag eingeführt. Soweit möglich wurden auch mehr Parkplätze zur Verfügung gestellt, um öffentliche Verkehrsmittel zu meiden. Kurz: Auch am Standort war nichts mehr so wie vorher, wir haben dort heute eine vollkommen andere Situation als noch im März.
Trotz all der Einschränkungen, Schwierigkeiten und Unsicherheiten durch die Coronakrise, gibt es auch positive Erkenntnisse oder Entwicklungen, die sich aus den Erfahrungen der letzten Monate für Capita ziehen lassen?
Die gibt es auf jeden Fall! Erstmal haben wir vieles gelernt, was auch für die Zukunft hilfreich sein wird. Und auch unsere Kunden sind sehr zufrieden damit, wie wir die Situation in den letzten Monaten gemeistert haben. Die Serviceleistungen sind bei gleichbleibend hoher Qualität stabil geblieben, jeder hat seinen Beitrag geleistet und es wurden tolle Ergebnisse erreicht. Darüber können wir alles sehr glücklich sein! Es ist wirklich schön, den engen Zusammenhalt der Teams zu sehen. Alle haben sich gut an die neuen Bedingungen angepasst und entsprechend positiv sind auch die Rückmeldungen der Auftraggeber.
Wie waren die letzten Monate für dich persönlich?
Bei der Personalarbeit spielt Mitarbeiterzufriedenheit eine entscheidende Rolle und diese trotz Krise aufrechtzuerhalten, war und ist unser Ziel. Mein Anspruch ist immer, die Dinge – im Sinne jedes Einzelnen und mit Blick auf das Unternehmen – jeden Tag möglichst ein bisschen besser zu machen. Daran hat sich auch mit der Coronakrise nichts geändert. Alles in allem waren die letzten Monate für mich persönlich, wie für viele andere auch, sehr anstrengend. Umso schöner, dass wir es in dieser Zeit geschafft haben, zwei ganz wichtige neue HR-Systeme einzuführen und Capita Plus, ein Benefit-Programm für die Mitarbeiter, an den Start zu bringen. Die letzten Monate zeigen mir, dass es sich lohnt, sich für Capita und jeden Einzelnen jeden Tag aufs Neue mit Energie einzusetzen. Insofern zähle ich hier in der Zukunft auf das Engagement jedes und jeder Einzelnen im Sinne eines großen Ganzen.
Wie wird es deiner Meinung nach für Capita weitergehen, was können wir aus den Erfahrungen mit der Krise für die Zukunft ableiten?
Wir haben Prozesse auf den Kopf gestellt, neue Arbeitsweisen eingeführt und Lösungen gefunden, an die letztes Jahr noch niemand gedacht hätte. Die Herausforderungen haben eine Entwicklung vorangetrieben, die uns helfen wird, neue Wege zu gehen. Hier denke ich ganz klar an die Homeoffice-Lösung. Wegen der positiven Erfahrungen, die wir jetzt gemacht haben, sprechen wir derzeit viel darüber, wie und unter welchen Voraussetzungen wir ein hybrides Arbeitsmodell mit Homeoffice als alternative permanente Arbeitsform bewerkstelligen können. In vielen Fällen haben wir bereits die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen geklärt und die Verhandlungen mit den Kunden aufgenommen, die natürlich den damit einhergehenden Datenschutzkonzepten zustimmen müssen. Es entstehen also auch eine Menge neuer Prozesse rund um Operations und im Recruiting – um alle Vor- und Nachteile genau zu prüfen, läuft in Aachen aktuell ein Pilotprojekt, bei dem die Mitarbeiter zu 100% von zuhause arbeiten. In Zusammenarbeit zwischen dem Betriebsrat, der Personalabteilung und den Teams lernen wir hier einmal mehr enorm viel dazu.
Ich bin davon überzeugt: Generell werden uns die Erfahrungen, die wir durch diese Krisenzeit gemacht haben, zukünftig dabei helfen, offener mit neuen Projekten, Ideen und Ansätzen umzugehen. Wir haben einiges gelernt – allem voran, dass wir auch mit Unvorhergesehenem klar kommen und Dinge machbar sind, die vorher undenkbar waren. Wir sollten die Krise also als Chance begreifen und weiterhin versuchen, das Beste daraus zu machen!
Danke für deine Zeit, die zahlreichen Informationen und deine Erfahrungen, Leo.
Leo Staub-Marx, Director HR Germany